In den letzten Jahren hat sich mehr und mehr die Tendenz ergeben, daß europäische Unternehmen bei ihren Geschäften mit amerikanischen Vertragspartnern Verträge abschließen, die amerikanischem Recht unterliegen. Aber auch bei internationalen Geschäften ohne US Beteiligung werden oft US-amerikanische Vertragsentwürfe verwendet, obwohl diese nicht dem amerikanischen, sondern einem anderen Recht unterstellt werden.
Diese Tendenz beruht zum einen darauf, daß US-Unternehmen sich nur äußerst zögerlich darauf einlassen ein anderes als ihr US-amerikanisches Heimatrecht zu vereinbaren, während europäische Unternehmen in dieser Hinsicht offener sind. Zum anderen nimmt die Dominanz des US-amerikanischen Rechts im internationalen Rechtsverkehr zu. Daher sind Vorlagen für
Verträge im internationalen Geschäftsverkehr oftmals am einfachsten in Form eines USamerikanischen Vertragsentwurfs zugänglich.
Risiken ergeben sich bei beiden Praktiken aus den zum Teil grundsätzlichen Unterschieden zwischen dem US-amerikanischen und dem kontinental-europäischen Vertragsrecht. Die Risiken werden noch dadurch verstärkt, daß diese Verträge vor ihrer Unterzeichnung oftmals gar keinem Juristen oder lediglich dem Hausjuristen oder –anwalt, der mit dem USamerikanischen
Recht, wenn überhaupt, nur wenig vertraut ist, zur Prüfung vorgelegt werden.
Beim Abschluß von Verträgen, die dem amerikanischen Recht unterliegen, ergeben sich Risiken insbesondere aus den zum Teil fundamental verschiedenen Ansätzen des USamerikanische und des kontinental-europäische Vertragsrechts und den daraus resultierenden Ergebnissen. Diese Risiken werden noch durch die umfangreiche Kasuistik des amerikanischen Vertragsrechts verstärkt.
Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen dem amerikanischem und dem kontinentaleuropäischen Vertragsrecht besteht darin, daß das amerikanische Recht in wesentlich stärkerem Maße auf den objektiven Erklärungswert abstellt, hinter dem selbst der anderweitig ermittelbare, übereinstimmende Parteiwille zurücktritt. Dies zeigt sich insbesondere an der amerikanischen „Parol Evidence Rule“, wonach Beweise über Verhandlungen und äußere Umstände vor oder bei Vertragsschluß, die geeignet sind, eine vom objektiven Erklärungsinhalt abweichende Auslegung zu begründen, generell ausgeschlossen sind. Aufgrund dieses Ansatzes überrascht es nicht, daß amerikanische Gerichte wesentlich weniger bereit sind, den Inhalt eines Vertrages durch Auslegung nach dem Sinn und Zweck oder gar Analogien umzudeuten oder zu erweitern.
All dies führt dazu, daß bei der Abfassung eines amerikanischen Vertrages eine wesentlich größere Sorgfalt und Präzision darauf verwandt werden muß, daß das tatsächlich Gewollte im Vertrag eindeutig zum Ausdruck kommt. Es kann nicht darauf vertraut werden, daß sich das Gewollte aus dem Sachzusammenhang ergibt oder durch außerhalb des Vertrags liegende Beweismittel unter Beweis gestellt werden kann. So genügt es nach amerikanischem Recht z.B. nicht, eine feste Laufzeit des Vertrages mit automatischer Verlängerung um jeweils einen festen Zeitraum sowie die Länge der Kündigungsfrist zu bestimmen. Hieraus ergibt sich für ein amerikanisches Gericht keinesfalls zwingend, daß eine Kündigung mit der entsprechenden Frist jeweils nur zum Ablauf der jeweiligen Vertragsperiode möglich ist. Ein amerikanisches Gericht könnte durchaus zu dem Schluß kommen, daß einen Tag vor Ablauf der Vertragsperiode mit der genannten Frist gekündigt werden kann. Will man dies ausschließen, so muß ausdrücklich im Vertrag klargestellt werden, daß eine Kündigung nur zum Ablauf der jeweiligen Vertragsperiode möglich ist und die Frist mit Bezug auf den Beendigungszeitpunkt der jeweiligen Vertragsperiode eingehalten werden muß. Ohne eine solch eindeutige Klarstellung im Vertrag, hilft es einem im nachhinein auch nichts, wenn das tatsächlich Gewollte eindeutig aus den Verhandlungsprotokollen hervorgeht, da diese nach der „Parol Evidence Rule“ als Beweis ausgeschlossen werden.
Bei der Verwendung US-amerikanischer Vertragsentwürfe unter Vereinbarung der Anwendbarkeit eines anderen Rechts ergibt sich eine Problematik insbesondere daraus, daß der Vertragstext nicht auf das anwendbare Recht abgestellt ist. Verträge dienen neben der Vereinbarung des eigentlichen Leistungsaustausches generell dem Zweck, zwischen den Parteien Vereinbarungen zu treffen, die von dem ohne vertragliche Vereinbarung geltenden Recht abweichen. Naturgemäß beziehen sich diese abweichende Vereinbarungen auf das Recht, welches sie abändern sollen. Übernimmt man nun diese Regelungen unverändert unter Vereinbarung der Anwendbarkeit eines anderen Rechts, kann dies dazu führen, daß Regelungen übernommen werden, die nach dem anwendbaren Recht zu nicht gewollten Ergebnissen führen, oder daß es übersehen wird, Regelungen einzufügen, die nach amerikanischem Recht unsinnig wären, jedoch nach dem anwendbaren Recht wünschenswert oder gar dringend notwendig sind.
Die oftmals sehr umfangreichen Zusicherungen der Vertragsparteien in amerikanischen Verträgen, die bei Europäern den Anschein einer sehr weitgehenden Absicherung erwecken, berechtigen z.B. bei ihrer Verletzung nach den Regelungen in amerikanischen Verträgen nur zum Schadenersatz in Geld. Anderes wäre nach amerikanischem Recht, daß eine Erfüllungspflicht nur ausnahmsweise dann anerkennt, wenn ein Schadensersatz in Geld nicht bestimmt werden kann oder in keinster Weise geeignet ist ein Schadensausgleich herbeizuführen, auch kaum wirksam zu vereinbaren. Nach deutschem Recht hingen kann durchaus vereinbart werden, daß bei mangelndem Vorliegen des zugesicherten Zustands, derjenige, der die Zusicherung gemacht hat, dazu verpflichtet ist, diesen Zustand herzustellen. Daher wird man bei schlichter Übernahme des US-amerikanischen Vertragsentwurfs diesen nach deutschem Recht zulässigen und wünschenswerten Vertragszweck nicht erreichen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß beim Abschluß von Verträgen nach USamerikanischem Recht und bei der Verwendung von Vertragsentwürfen, die auf USamerikanischem Recht beruhen, Vorsicht geboten ist. Verträge, die US-amerikanischem Recht unterliegen, sollten generell vor ihrem Abschluß einem US-amerikanischen Anwalt oder einem Anwalt, der eingehend mit dem US-amerikanischem Recht vertraut ist, zur Prüfung vorgelegt werden, da andernfalls ihre Auswirkungen für die vertragschließende Partei unüberschaubar sind, was zu unvertretbaren Risiken führt. Ebenso sollten bei Verwendung von US-amerikanischen Verträgen unter Vereinbarung der Anwendbarkeit eines anderen Rechts diese Verträge unbedingt einem Anwalt zur Prüfung vorgelegt werden, der mit der sich aus der Verwendung solcher Vertragsentwürfe ergebenden Problematik und vorzugsweise dem, dem Vertragsentwurf zugrundeliegenden amerikanischen Recht vertraut ist. Unterbleibt eine solche Prüfung, besteht eine erhebliche Gefahr, daß der angestrebte wirtschaftliche Zweck des Vertrags weitgehend oder gänzlich verfehlt wird.